Imke Pirch, DIE LINKE
Imke Pirch
DIE LINKE
Freiburg II [47]

Was werden Sie tun, um für die Einhaltung des 1,5°C-Ziels einzutreten?

Wir müssen unser Möglichstes tun, auch wenn es unbequem ist, weil wir es unserem Planeten schulden. Dafür müssen wir möglichst die Bereitschaft in der Gesamtgesellschaft bewirken. Es ist aber unwahrscheinlich, dass wir im vorherrschenden kapitalistischen System eine Bereitschaft aller Bürgerinnen und Bürger erreichen und auch alle Unternehmen zu einer Transformation bereit sind, daher müssen auch regulierende Instrumente, die zu einem energieeffizienten, umweltfreundlichen Leben und Wirtschaften führen, eingesetzt werden.
Grundbedingung ist aber eine Politik, die eine konsequente Klimapolitik umsetzt, die Umsetzung kontrolliert und sich eine generelle Klimaschutzprämisse auferlegt. Mit mir und der LINKEN wäre endlich eine solche Kraft und Stimme im Landtag vertreten.
Die kollektive Bereitschaft zu dieser Transformation und zu einer Lebensstiländerung zu erreichen ist mitunter die größte Herausforderung, da auf sehr individuelle Bedürfnisse eingegangen werden muss. Echte, bequeme und kostengünstige Alternativen zu schaffen ist dabei besonders wichtig.

Im Bezug auf den Fuß-Rad-Verkehr und den ÖPNV heißt das:

  • In den nächsten 5 Jahren eine massive Investitionsoffensive, um flächendeckende Infrastrukturen auszubauen, die auch in ländliche Regionen reichen. Dort sollen auch Ruftaxen und CarSharingAngebote ausgebaut werden. Dieser Ausbau schafft auch hunderttausende Jobs! Enge Taktungen, auch in der Nacht und die Möglichkeit der Fahrradmitnahme in Zügen. Eine Mobilitätskarte und -app, um die Angebote und Buchungen von Tickets und Sharing-Angeboten bequem zu koordinieren
  • Subventionen sollen dementsprechend auch an Unternehmen gehen, die den ÖPNV ausbauen und solche, die zur umweltfreundlichen Mobilität beitragen.
  • Ein landesweites Sozialticket, wie bereits in einigen Regionen vorhanden; perspektivisch kostenloser Nahverkehr und einen landesweiten einheitlichen Tarifverbund.
  • Autofreie Städte bis 2025, daher bereits jetzt die Hierarchie im Straßenverkehr umkehren und in Städte- und Regionenplanung berücksichtigen und Tempolimits in Städten auf 30km/h und auf Landstraßen 80km/h; Flächen, die dadurch in Städten frei werden, sollen begrünt werden bzw. Straßen von Fahrradfahrer:innen benutzt werden. Es sollen keine neuen Straßen gebaut werden. Aus Sicht einer Krankenpflegerin hoffe ich hier auch auf bessere Luftverhältnisse aus gesundheitlichen Gründen und möglichst keine Unfallverletzten/-toten mehr.
  • Als leidenschaftliche Radfahrerin liebe ich die Radschnellstrecken. Fuß- und Radwege müssen ausgebaut werden. Radschnellwege auch auf dem Land.
  • ÖPNV mit Haltestellen und Sammeltaxen müssen barrierefrei sein.
  • Anreize z.B. durch Mobilitätsprämie in Form von BahnCard50 oder Jahresticket für ÖPNV (bundespolitisches Thema). Es ärgert mich, dass es billiger ist spontan mit einem Auto zu meinem Vater nach Schleswig zu fahren als mit der Bahn.

Im Rahmen der Mobilitätswende müssen außerdem:

  • der Schienenverkehr ausgebaut werden, Güterverkehr auf die Schienen und/ oder durch Oberleitungen an der Autobahn elektrifiziert werden.
  • Stuttgart21 hat weniger Kapazitäten als zuvor. Das muss geändert werden, indem ein Teil des Kopfbahnhofes erhalten bleibt und Güterschlussgleise reaktiviert werden. Sammelstellen/ Hubs einrichten, von denen aus dann mit Lastenrädern, E-Autos weiterverteilt wird. Bahn und Luftstrecken aufeinander abstimmen, d.h. Kurzstrecken durch Bahn ersetzen (bundespolitisches Thema), keine Nachtflüge mehr und Flugverkehr höher besteuern, Bahnpreise senken.
  • Städte und Regionen so planen, dass wenig Pendelverkehr entsteht. Wir als LINKE nennen das das Konzept der kurzen Wege: Freizeitbeschäftigung, Einkaufsmöglichkeiten, Beruf, Wohnen soll vor Ort für jeden und jede verfügbar sein und regionales Wirtschaften muss gefördert werden. In dem Zuge seien hier auch die exorbitanten Mieten genannt, die Menschen aus den Städten drängen. Das müssen wir durch einen Mietendeckel und -moratorium angehen.
  • Die Autoindustrie muss transformiert werden: Fahrzeuge müssen elektrifiziert werden. Subventionen vom Land und Staat an soziale und ökologische Bedingungen geknüpft werden (Bsp. Tariftreue), Beschäftigte Weiterbildungsangebote bekommen, die über ein Konversionsprogramm bezahlt werden (so auch für kleinere Betriebe möglich); Betriebsräte sollen in Rechten gestärkt werden (Bsp. Veto-Recht bei Standortschließung, Massenentlassung, …). Satt Stellen abzubauen, soll es zur Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich kommen. Ich persönlich glaube, dass das unsere Zukunft ist durch die Digitalisierung. Und das ist gut, denn wir sind mehr als Erwerbstätige! Es muss Zeit und Energie für gesellschaftliche und politische Teilhabe geben. An dieser Stelle ist nicht nur an die Beschäftigten im Inland zu denken, sondern auch an diejenigen entlang der Lieferkette, d.h. verwendete Materialien müssen unter menschenrechtswahrenden Bedingungen hergestellt und geliefert werden. Ein Branchenrat (Beschäftigte, Gewerkschaften, Unternehmer:innen, Umweltverbände, Politik) soll Transformationen beratend vorantreiben.

Damit wir das Ziel des Pariser-Abkommens einhalten können, müssen wir uns (am besten schon vor Jahren) spätestens ab sofort von fossilen Energieträgern lösen und unabhängig machen. D.h. auch die Industrie muss ohne fossile Brennstoffe funktionieren. Mir ist bewusst, dass dieser Aspekt der wichtigste zur Erreichung des Ziels ist und daher energisch vorangetrieben werden muss.

  • Kohleausstieg bis 2030. Die EnBW soll zu einem öffentlich-rechtlichen Unternehmen werden und ausschließlich regenerative Energien anbieten. Auch bei dieser Transformation müssen die Beschäftigten mitgenommen werden und Weiterbildungsangebote bekommen.
  • Anlagen zur Erzeugung erneuerbare Energien müssen ausgebaut werden. Auch hier gilt wieder die Menschen mitzunehmen, um so Verständnis und vielleicht sogar Engagement für den Klimaschutz zu erreichen, z.B. durch Bürger:innenbeteiligung und Energiegenossenschaften. Viele Interessen müssen unter einen Hut gebracht werden. So sollten sich Allianzen bilden aus Anwohner:innen, Umweltaktivist:innen, usw. und den Kommunen, aber das Ziel muss der Ausbau der erneuerbaren Energien sein.
  • Auch hier haben wir wieder die Maxime im Blick, dass Energiewirtschaft sozial gerecht sein muss, d.h. wir brauchen z.B. Sozialtarife. Dadurch sichern wir auch das Verständnis für diese Maßnahmen.
  • Neubauten müssen mit Photovoltaikanlagen ausgerüstet sein und zumindest die landeseigenen Gebäude energieeffizient saniert werden. Wir unterstützen Initiativen, die darin beraten Häuser energieeffizient zu sanieren, wie die von Fesa e.V. hier in Freiburg. Die aktuelle Landesregierung hat die Solarpflicht gestrichen, das wollen wir wieder ändern.
  • Industrien brauchen Planungssicherheit und Unterstützung für diese Transformation. Sie braucht Anreize, um schnell Treibhausgas-neutrale Techniken einzusetzen.
  • Innovative Ideen und Technologien müssen gefördert werden und internationale Zusammenarbeit muss ausgebaut werden, auch weil wir voraussichtlich nicht unseren eigenen Energiebedarf ausschließlich aus unseren erneuerbaren Energien decken werden können. Dabei müssen wir aber auch bei dem Import von Energie (vermutlich auch Wasserstoff) auf die Sauberkeit auch hinsichtlich der Arbeitsbedingungen achten.

Ich hoffe, dass wir bald Techniken kennen, die CO2 aus der Luft ziehen und verwerten können und die Wasserstoffwirtschaft auf-/ ausgebaut werden kann.
Die Landwirtschaft muss endlich Anreize bekommen, um auf 100% ökologische Landwirtschaft umzustellen. Es sollte Höchstquoten für Tierhaltung geben und der Futterimport zurückgedrängt werden. Regionale Produktionen sollte gefördert werden.
Sitze ich im Landtag, werde ich all diese oben aufgezählten Punkte vorantreiben, immer mit der Maxime, dass die Transformation sozial gerecht geschehen muss. Ich bin mir bewusst, dass die Zeit drängt und daher werde ich auf die sofortigen Umsetzung der Maßnahmen drängen: Unabhängig-machen von fossilen Brennstoffen, Umweltfreundliche Mobilität, energieeffizientes Wohnen/ Bauen, ökologische Landwirtschaft,Innovationen fördern. Selbstverständlich wird es ein stetiges gesellschafts-politisches Aushandeln der Veränderungsschritte geben, aber wir dürfen darüber nicht in Stillstand verfallen.

In der Pandemie sehen wir, wie wichtig internationaler Austausch in der Forschung und Weiterentwicklung ist. Auch hier lege ich Wert drauf, da wir nur so die nötige Geschwindigkeit in der Umstellung erreichen können. Wir sehen auch, wie wichtig ein solidarischer Umgang mit dieser Corona-Krise ist und das lässt sich auf die Klimakrise übertragen.

Was bedeutet ein Nicht-Erreichen des 1,5°C-Ziels für Freiburger*innen und Baden-Württemberger*innen konkret?

Erreichen wir das 1,5°-Ziel nicht, haben wir möglicherweise einen unwiderruflichen Kipppunkt im Klimasystem überschritten. Das wird unseren Blick in die Zukunft drastisch verändern und wir müssen Wege finden mit den Konsequenzen umzugehen.

Wir haben es letztes Jahr bereits erlebt, dass auch in Deutschland kein Wasser mehr aus der Leitung kam. Ich denke da an Niedersachsen. Die Folgen des Klimawandels sind auch hier deutlich sichtbar: Hitzewellen, Dürre, Ernteausfälle, Hitzetote… Auch wir müssen Wasser sparen und uns auf weitere Hitzewellen, die auch unser Arbeitsleben beeinflussen, einstellen. Unsere Landwirtschaft wird weitere Ausfälle und Unsicherheiten erleiden und mehr Subventionen benötigen.

Wir müssen damit rechnen, dass es mehr Geflüchtete geben wird. Menschen werden ihre Heimat verlassen müssen bzw. tun es bereits, weil ihre Grundversorgung nicht mehr gesichert ist. Möglicherweise eskalieren als Folge daraus Konflikte. Andere müsse ihre Heimat verlassen, weil der Meeresspiegel steigt. Diese Menschen zu unterstützen und ihnen Sicherheit zu geben ist unser aller Aufgabe.

Verteilt man das weltweit verbleibende CO₂-Budget gleichmäßig, hat Deutschland voraussichtlich 2024 sein gesamtes CO₂-Budget für das 1,5°C- Ziel aufgebraucht. 
Hat das für Sie und Ihre Partei eine Konsequenz und wenn ja welche?

Das muss uns noch deutlicher machen, dass es um internationale Zusammenarbeit geht. So wie es auch zu wenig Wirkung erzielt, dass ein Bruchteil der Gesellschaft seinen Konsum von Fleisch überdenkt und anpasst, so reicht es auch nicht, dass nur vereinzelt Länder konsequent Klimaneutralität anstreben.

Das ist eine globale Krise, die sich nicht als Alleinkämpfer bewältigen lässt. Dadurch, dass wir eines der reichsten Länder der Welt sind, sind wir in der Verantwortung, dafür zu sorgen, dass auch wirtschaftlich schlechter gestellte Länder bei den nötigen Entwicklungen Schritt halten können. Solidarität ist verlangt.

Es ist eine globale Krise, die internationale Zusammenarbeit erfordert. Profitgier ist hier fehl am Platz!

Diese Verantwortung tragen wir auch, weil klar ist: Diejenigen, die am heftigsten von den Folgen des Klimawandels getroffen werden, sind nicht die Verursacher.

Welche Ideen und Visionen verfolgen Sie und Ihre Partei für ein grundsätzliches Umlenken in unserer Gesellschaft und Wirtschaft?

Wir werden ja immer als die Partei abgestempelt, die utopische Ideen verfolgt. Klimaneutralität bis 2035 ist keine Utopie, sondern eine Vision, die erreichbar ist! So bestätigt es auch das Wuppertal Institut in ihren Bericht von Oktober 2020. Dieser Vision streben wir mutig entgegen und beachten dabei die Vielschichtigkeit des Problems, indem wir Menschen mit geringerem Einkommen, die Beschäftigten, die durch die Transformation eine extreme Änderung ihres Arbeitslebens erfahren und die Anwohner:innen von Anlagen für erneuerbare Energien nicht übergehen. Wir machen uns Klimaschutz zur Prämisse unseres Handelns und verbinden es grundsätzlich mit sozialer Gerechtigkeit – Klimagerechtigkeit.

Ich persönlich habe ein Bild von der Zukunft, in der es selbstverständlich ist mit dem Zug längere Strecken zurückzulegen, in der es keine Verbrennungsmotoren mehr gibt, Menschen sich Wohnraum teilen, viel mehr lokal Produziertes konsumiert wird, generell viel weniger konsumiert wird, wir eine 5 Tage Woche haben und es normal ist mehrere Monate am Stück Urlaub zu nehmen, um doch auch mal eine Reise in entferntere Gegenden zu unternehmen, ohne dafür fliegen zu müssen, … :-)
Kurz: Die Umsetzung der oben genannten Maßnahmen.

Wir lehnen es ab, dass das Wirtschaften an Profitmaximierung ausgerichtet ist, da das für soziale Ungleichheit sorgt. Das Gemeinwohl muss im Vordergrund stehen und daher auch für die Grundversorgung mit Wohnraum, Strom, Wasser, Mobilität und damit Teilhabe gesorgt sein. Daher fordern wir auch ein, dass besonders in Krisensituationen die Last je nach Möglichkeiten bzw. Belastbarkeit verteilt wird.

Wie werden Sie Bürger*innen in die Gestaltung dieses tiefgreifenden Übergangs einbinden?

Damit das Verständnis und somit die Bereitschaft zum Mittragen der Maßnahmen möglichst groß ist, ist es wichtig die Maxime der sozialen Gerechtigkeit einzuhalten. Es darf zu keinerlei Benachteiligung kommen. Als Linkspartei, die eine Mitgliederpartei ist, in der z.B. auch bei der Erstellung des Wahlprogramms sich alle Mitglieder direkt beteiligen konnten, fordern wir mehr Demokratie und Transparenz.

Die Bürger:innen und Bürger sollten in Entscheidungs- und Gestaltungsprozesse einbezogen werden, wie durch einen Branchenrat, der über die Transformation der Autoindustrie berät und in dem Beschäftige, aber auch Umweltverbände und Unternehmer:innen sitzen. Beschäftigte sollen über Betriebsräte, die mehr Rechte (Bsp. Veto-Recht bei Standortschließung, Massenentlassung, …) bekommen, mehr Mitspracherecht habe und bei der Umgestaltung der Industrie nicht allein gelassen werden. Es müssen Weiterbildungs-/ Fortbildungsprogramme angeboten werden. Kleine Unternehmen müssen in diesem Bildungsangebot finanziell unterstützt werden, um die Transformation leisten zu können.

Bürger:innen sollen durch genossenschaftlich betriebene Energieanlagen eingebunden werden. Es sollen regionale Räte installiert werden, die über die Gestaltung der Region mitbestimmen dürfen. Auch in Schulen soll mehr Raum für das Thema Klima und Umwelt sein. Ich stelle mir da praktischen Unterricht mit Erlebnispädagog:innen vor. Kinder und Jugendliche sollen durch Jugendgemeinderäte in allen Kommunen und einem Jugendparlament angehört werden müssen und beteiligt werden.

Transparenz und Beteiligung ist der Schlüssel für das Verständnis und die Bereitschaft an der Erreichung des 1,5°-Ziel mitzuwirken.

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