Rolf Seifert, DIE LINKE
Rolf Seifert
DIE LINKE
Breisgau [48]

Was werden Sie tun, um für die Einhaltung des 1,5°C-Ziels einzutreten?

Die Corona-Pandemie beherrscht zwar momentan die Schlagzeilen und ist Gesprächsthema Nummer eins. Dennoch müssen wir auch dringend die drohende Klimakatastrophe im Auge behalten, die bereits mit großer Wucht auf uns zurollt.

Ich finde es wichtig, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen und sie für Umweltfragen zu interessieren und zu sensibilisieren. Neben dringend notwendigen gesetzlichen Maßnahmen kann nämlich auch jeder Einzelne seinen Beitrag zur Einhaltung des 1,5 Grad Ziels leisten. Zum Beispiel weniger Auto fahren, Sprit-sparender fahren, oder möglichst ganz auf das Auto verzichten und auf den ÖPNV umsteigen bzw. mit dem Fahrrad zu fahren. Den Fleisch Konsum reduzieren, sich energiesparende Haushaltsgeräte zuzulegen usw. Und dabei mit gutem Beispiel vorangehen.
Leider sind persönliche Kontakte wegen der Corona Pandemie zurzeit nur bedingt möglich. Deshalb versuche ich, diese Themen auch online zu transportieren. So habe ich im Rahmen des Landtagswahlkampfs einen Video-Clip erstellt und online gestellt, der sich mit diesen Fragen beschäftigt. Und ebenfalls im Rahmen des Landtagswahlkampfes haben wir eine online Gesprächsreihe „Links im Internet“ gestartet, in der wir auch dieses Thema aufgreifen werden.

Was bedeutet ein Nicht-Erreichen des 1,5°C-Ziels für Freiburger*innen und Baden-Württemberger*innen konkret?

Seit Beginn der Industrialisierung ist die Temperatur auf der Erde durchschnittlich bereits um ein Grad Celsius gestiegen. Das Eis der Polkappen schmilzt ab, und der Meeresspiegel steigt. Auch hier im Land spüren wir bereits die Folgen des Klimawandels: Extremereignisse wie Hochwasser und Hagel treten häufiger auf, ausgedehnte Dürreperioden gefährden die Landwirtschaft und Flora und Fauna haben sich schon verändert. Diese gefährliche Entwicklung wird sich dramatisch verstärken, wenn wir das 1,5 Grad Ziel nicht erreichen und Kipppunkte erreichen, die ein Umsteuern nicht mehr möglich machen. Konkret bedeutet dies, dass Hitzeperioden gerade in den Städten dramatische Auswirkungen haben werden. Bereits jetzt sterben mehr Menschen an Hitze als an Kälte. Durch anhaltende Dürreperioden wird die Landwirtschaft massiv gefährdet. Der Grundwasserspiegel sinkt immer weiter und das Trinkwasser wird knapp. Schon jetzt sind einige Brunnen bei Gehöften im Schwarzwald trockengefallen und die Höfe müssen durch Tanklastwägen mit Trinkwasser versorgt werden. Sintflutartige Regenfälle werden vermehrt zu verheerenden Überschwemmungen führen. Dies alles sind konkrete Bedrohungen, die die Menschen in Freiburg und in Baden-Württemberg bei Nicht-Erreichen des 1,5°C-Ziels betreffen werden.

Verteilt man das weltweit verbleibende CO₂-Budget gleichmäßig, hat Deutschland voraussichtlich 2024 sein gesamtes CO₂-Budget für das 1,5°C- Ziel aufgebraucht. 
Hat das für Sie und Ihre Partei eine Konsequenz und wenn ja welche?

Deutschland lebt nicht nur in Sachen CO₂-Budget weit über seine Verhältnisse. Das ist unverantwortlich. Wenn alle Länder wie wir die Umwelt mit CO₂-Emissionen belasten würden, wäre die Klimakatastrophe bereits eingetreten. Deshalb müssen wir ökologisch dringend umsteuern. Deshalb ist Umweltpolitik in unserem Wahlprogramm ein herausragender Punkt. Wir müssen den ökologischen Wandel aber auch sozialverträglich ausgestalten, um die Menschen bei diesem Prozess mitzunehmen.

Welche Ideen und Visionen verfolgen Sie und Ihre Partei für ein grundsätzliches Umlenken in unserer Gesellschaft und Wirtschaft?

Neben den Maßnahmen, die jeder Einzelne individuell treffen kann, sind dringend gesetzliche Vorgaben und Vorschriften erforderlich. Die CO2-Emissionen müssen bis zum Jahr 2030 um 90 Prozent reduziert werden und bis 2035 muss Baden-Württemberg muss klimaneutral sein. Dazu ist ein Kohleausstieg bis spätestens 2030 erforderlich.

Das ist ohne die Gefährdung der Versorgungssicherheit möglich, wenn regenerative Energiequellen verstärkt genutzt werden. Dazu muss der Ausbau der Windenergie beschleunigt und die Potenziale der Sonnenergie voll ausgeschöpft werden. Die Potenziale der Geothermie müssen geprüft und überall dort genutzt werden, wo es gefährdungsfrei möglich ist.

Prinzipiell eignet sich die Oberflächennahe Geothermie zur Energiegewinnung nicht nur für Einfamilienhäuser, sondern auch für ganze Wohnsiedlungen. Die Tiefengeothermie ist neben der Wärmeversorgung auch für die Stromerzeugung nutzbar. Die im aktuellen Klimaschutzgesetz verankerte Photovoltaik-Pflicht für Nicht-Wohngebäude muss insbesondere auch auf Dachsanierungen von Wohngebäuden ausgeweitet werden.

Bei der Windenergie gehört Baden-Württemberg zu den Schlusslichtern in Deutschland. Das muss sich ändern. Der artengerechte Ausbau der Windenenergie muss forciert werden. Insbesondere durch die Förderung von Bürgerbeteiligungen bei Windkraftanlagen. Daneben müssen im Landesentwicklungsplan die Ausbauziele für jeden Regionalverband verbindlich festgeschrieben werden.

Die Photovoltaik muss ausgebaut werden. Die im aktuellen Klimaschutzgesetz verankerte Photovoltaik-Pflicht für Nicht-Wohngebäude muss insbesondere auch auf Dachsanierungen von Wohngebäuden ausgeweitet werden. Und es muss eine Photovoltaik-Pflicht für alle neue Gebäude bei gleichzeitiger Förderung in das aktuelle Klimaschutzgesetz aufgenommen werden. Ferner müssen Balkonsolaranlagen ins Gespräch gebracht und gefördert werden.

Das Verbot von Schottergärten zum Artenschutz und nicht zuletzt zum Klimaschutz muss kontrolliert und bei Verstößen entsprechend sanktioniert werden. Auch bestehende, vor dem Schotterverbot angelegte Schottergärten müssen zeitnah renaturiert werden.

Um den Klimaschutz voranzutreiben, sind Auflagen erforderlich, dass neue Gebäude klimaneutral erstellt werden. Auch die Wirtschaft muss klimaneutral werden.
Zum Klimaschutz ist auch eine grundlegende Verkehrswende erforderlich. Der Individualverkehr muss reduziert werden. Unter anderem müssen Dieselsubventionen und das Dienstwagenprivileg abgeschafft werden. Für den Mobilitätswechsel muss der ÖPNV stärker und flächendeckend gefördert und ausgebaut werden. Dazu gehört auch ein kostenloser ÖPNV in Baden-Württemberg, zumindest aber in einem ersten Schritt ein 365€-Ticket und die landesweite Einführung eines Sozialtickets.

Wie werden Sie Bürger*innen in die Gestaltung dieses tiefgreifenden Übergangs einbinden?

Wie schon ober erwähnt, sind persönliche Gespräche äußerst sinnvoll und hilfreich, um die Akzeptanz der Bevölkerung für die dringend notwendigen Maßnahmen zu erreichen und sie auch in ihrem privaten Umfeld für mehr Umweltbewusstsein zu sensibilisieren. Da aber persönliche Kontaktaufnahmen momentan nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich sind, werde ich verstärkt online-Medien und Social Media benutzen. Dazu habe ich, wie schon erwähnt, einen Video-Clip zu diesem Thema aufgenommen und wir wollen dieses Thema in unserer online Gesprächsreihe „Links im Internet“ vertiefen.

Bürgerinitiativen und Umweltverbände vertreten die berechtigten Wünsche und Forderungen der Menschen vor Ort. Deshalb werde ich verstärkt mit ihnen in Kontakt treten und ihnen im Landtag eine Stimme geben.

Um Bürger*innen in die Gestaltung dieses tiefgreifenden Übergangs stärker einzubinden, fordere ich zusätzlich einen deutlichen Ausbau der direkten Demokratie.

Bleibe auf dem Laufenden
und abonniere unseren Newsletter!

*

An welche E-Mail Adresse soll der Newsletter geschickt werden?