Pascal Blanc
Pascal Blank
DIE LINKE
Freiburg I [46]

Was werden Sie tun, um für die Einhaltung des 1,5°C-Ziels einzutreten?

Die kurze Antwort würde lauten, dass ich alles, was möglich ist, auch tun werde. Klimaschutz hat mich zuerst zur Politik geführt. Ich war schon vor meiner Kandidatur in der Bewegung aktiv und werde es auch nach wie vor sein. Unabhängig davon, ob ich in den Landtag gewählt werde oder nicht, werde ich weiterhin Demonstrieren, Vorträge für Kinder und Erwachsene halten und politischen Druck auch auf meine eigene Partei ausüben, denn weniger als 100 % Klimagerechtigkeit ist für mich moralisch nicht vertretbar. Ich bin nicht bereit, beim Klimaschutz Abstriche zu machen.

Was heißt dies nun konkret für meine politischen Forderungen (diese sind beinahe identisch mit der meiner Partei, denn ich habe dort mitgeschrieben)?

Für die Wahrnehmung unserer Verantwortung in der Klimakrise gibt es kein Allheilmittel, jedoch gibt es klare Schritte, die unbedingt gegangen werden müssen.

Die drei wichtigsten Treiber sind der Energieverbrauch in Industrie und Haushalten, Verkehr und die Landwirtschaft. Jegliche Energie, die wir verbrauchen, muss so nachhaltig wie möglich gewonnen werden, in Baden-Württemberg vor allem über Solar- und Windkraft und zu geringeren Teilen über Biomasse. Für einige Industriezweige wird Strom allein nicht ausreichen, weshalb über erneuerbare Energien hergestellter Wasserstoff notwendig sein wird. Zusätzlich werden synthetische Energieträger (PtX-Kraftstoffe) benötigt werden, welche Stück für Stück Öl und Gas verdrängen können. Die Produktion von Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen ist jedoch extrem energieaufwendig, weshalb der Ausbau der erneuerbaren Energien extrem beschleunigt werden muss. Auf Bundesebene muss der jährliche Ausbau mindestens um den Faktor vier beschleunigt werden, um den zukünftigen Energiebedarf zu 100 % zu decken.

Besonders die in der Vergangenheit (auch in BW) stark ausgebremste Windenergie muss hier in den Fokus genommen werden. Weiterhin muss kräftig im Wohnbereich saniert werden, damit weniger geheizt werden muss und Wohnen so energieeffizient wie möglich gestaltet werden kann.

Im Verkehrssektor wird der wichtigste Schritt ein massiver Ausbau von Bus & Bahn sein (die Nutzung soll perspektivisch ticketfrei werden), mit gleichzeitiger Reduzierung des Individualverkehrs. Gerade im ländlichen Raum werden die Menschen zur Nutzung eines PKWs gezwungen, da die Anbindung an das Schienennetz miserabel ist. Weiterhin werden Hauptstraßen mit LKWs geflutet. Damit gleiche Lebensbedingungen für alle Menschen, egal ob in der Stadt oder auf dem Land gelten, muss möglichst viel Individualverkehr und Transport auf die Schiene gebracht werden. Selbstverständlich werden auch in der Zukunft weiterhin PKWs gefahren werden, jedoch deutlich weniger. Die PKWs der Zukunft werden elektrisch angetrieben werden müssen. Von spritschluckenden SUVs sollten wir uns direkt verabschieden – wenn ich könnte, würde ich deren Produktion sofort verbieten. Es wird Zeit, dass wir uns von dem Bild des privaten PKWs und von der Vielfliegerei verabschieden. Das beharrliche Festhalten am Alten, das Klammern an die Autoindustrie, ist eine Verteidigung von umweltzerstörenden Privilegien, die uns niemals wirklich zustanden.

Die Landwirtschaft ist vor allem durch die Viehzucht ein großer Treibhausgasemittent. Deshalb, und aus Gründen der Artenvielfalt, des Boden- und Grundwasserschutzes muss sie zu 100 Prozent ökologisch werden. Leider wurde die Landwirtschaft durch vergangene Regierungen ausgenutzt. Sei es durch ungerechte Fördermittel, welche kleine Betriebe benachteiligen, oder durch den enormen Preisdruck, welcher von kapitalistischen Discountern ausgeht. Landwirt*innen arbeiten mehr und härter als die meisten Menschen, leisten enorm wichtige Arbeit und werden dafür zu schlecht entlohnt. Um eine sozial ökologische Agrarwende zu ermöglichen braucht es mehr Fördermittel für nachhaltigen Anbau. Auch wird in Zukunft weniger Fleisch konsumiert werden, denn für die Viehzucht brauchen wir unglaublich viel Flächen, die anders ökologisch genutzt werden können.

All diese Anstrengung werden jedoch nicht genügen, da selbst bei Klimaneutralität für DIE LINKE das Ziel nicht erreicht ist. Keine Treibhausgase mehr in die Atmosphäre zu blasen ist zwar gut, besser ist es jedoch, der Atmosphäre Treibhausgase zu entziehen. Hier sprechen wir von dem Ziel eines klimapositiven Baden-Württembergs. Um dies zu erreichen, müssen wir in Kohlenstoffsenken investieren: gesunde Wälder und Moore und Technologien, wie "Direct Air Capture" oder Pflanzenkohle. Weiterhin muss sich das Land in einer Bundesratsinitiative dafür einsetzen, dass Deutschland Mittel für andere Länder bereitstellt, um sie in der Klimakrise zu unterstützen. Die Krise ist eine globale und es wird Zeit, dass wir sie so behandeln und unserer Verantwortung gerecht werden.

Die wichtigsten Ansätze müssen also folgende sein: Energiewende, Verkehrswende, Agrarwende und negative Emissionen.

Im Kleinen und im Privaten ist es mir auch wichtig, "meinen Anteil" zu leisten und für Andere eventuell eine Vorbildfunktion einzunehmen. Ich habe mir vor fast drei Jahren vorgenommen, nie wieder zu fliegen und nie ein Auto oder großes Haus zu besitzen. Ich bin Antikapitalist und pflege einen minimalistischen Lebensstil, kaufe nach Möglichkeit gebraucht und repariere Dinge, falls möglich. Ich ernähre mich vegan und versuche ökologisch einzukaufen, dies ist mir jedoch meist aus finanziellen Gründen nicht möglich. Ich bin mir meiner privilegierten Lebenssituation bewusst und spende seit zwei Jahren einen Großteil meines Einkommens. Für die Zukunft plane ich, unabhängig vom Wahlergebnis eine Vortragsreihe zu verschiedensten Themen der ökologischen Krise, mit welcher ich hoffe, zusätzlich Menschen für diese Themen zu sensibilisieren.

Ich denke, es ist sehr unwahrscheinlich, dass irgendeine andere Partei bei dem Folgendem mitziehen wird, jedoch halte ich es für äußerst wichtig, unserer historischen Schuld (auch nur ansatzweise) gerecht zu werden. Die Klimakrise ist ein globales Problem und nur wenige Länder entwickeln sich diesbezüglich so schnell wie (das jetzt schon viel zu langsame) Deutschland. Wir sind viel reicher als die meisten und diesen Reichtum sollten wir teilen.

Meiner Meinung nach sollte Deutschland einen Fond aufsetzen mit Geldern, die für die Energiewende bereitgestellt werden. Diese Gelder sollten vor allem an ehemalige Kolonien wie Namibia, Tansania, Kamerun, Ruanda, Burundi und Papa-Neuguinea gehen, welche wir ausgebeutet haben und wo durch und mit uns Genozide stattgefunden haben.

Mir ist bewusst, dass diese Idee absolut illusorisch unter der derzeitigen Politik ist und von einer kleinen linken Fraktion im Landtag nicht durchgebracht werden kann, ich halte es jedoch für richtig und wollte deshalb meinen idealistischen Standpunkt mitteilen. Es braucht idealistische Ideen in der Politik und Menschen, die diese in den Diskurs bringen.

Ein klimaneutraler Lebensstil ist in Deutschland momentan unmöglich. Das müssen wir unbedingt ändern! Wir sind die einzige der "großen Parteien", die grundlegend unser Wirtschaftssystem hinterfragt und grundlegend etwas verändern will. Diese radikale Veränderung ist auch aus ethischer Sicht dringend notwendig, ein "weiter so" kann ich nicht hinnehmen.

Was bedeutet ein Nicht-Erreichen des 1,5°C-Ziels für Freiburger*innen und Baden-Württemberger*innen konkret?

Auf der physikalischen Ebene bedeutet es mehr Hitzetote, höhere Temperaturen und für die Region Freiburg, weniger Niederschlag (das sagten zumindest die Modelle aus der Uni). Mehr Trockenheit im Sommer ist eine der Herausforderungen für Landwirt*innen. Wir müssen insgesamt wassersparend handeln. Weiterhin sind Straßenbahnen und Züge nicht auf Temperaturen von über 35°C ausgelegt.

Auf der sozialen Ebene werden die finanziell Benachteiligten unserer Gesellschaft wieder härter getroffen. Mit Klimaanlage, einem großen Haus und Pool lässt sich ein heißer Sommer deutlich leichter überstehen als in einer heißen 70m2 Wohnung. Auch die Arbeit wird stark davon betroffen sein. Bei hohen Temperaturen sind Menschen deutlich unkonzentrierter.

Können wir es in Zukunft noch verantworten, Schüler*innen an heißen Sommertagen in der Schule sitzen zu lassen? Auch werden beispielsweise Handwerker*innen, Paketzusteller*innen und Bauarbeiter*innen erschwerte Arbeitsbedingungen haben.

Auf der ethischen Ebene müssen wir uns klar sein, dass wir unserer Verantwortung uns selbst und dem Rest der Welt gegenüber nicht gerecht geworden sind. Wir werden mitverantwortlich sein für unzählige Klimatote und Geflüchtete. Der Klimawandel ist nicht geschlechtsneutral. Frauen sterben aufgrund von sozioökonomischen Status häufiger an Extremwetterereignissen als Männer. Schwangere Frauen sind aufgrund von Ernährungsunsicherheiten oder versalzenem Grundwasser (aufgrund des Meeresspiegelanstiegs) besonders betroffen.

Mir ist bewusst, dass die Zuordnung von Verantwortung in der Klimakrise durchaus komplex ist, aber meiner Meinung nach machen wir uns an all diesen Ungerechtigkeiten mitverantwortlich, was für mich das gravierendste Argument ist.

Verteilt man das weltweit verbleibende CO₂-Budget gleichmäßig, hat Deutschland voraussichtlich 2024 sein gesamtes CO₂-Budget für das 1,5°C- Ziel aufgebraucht. 
Hat das für Sie und Ihre Partei eine Konsequenz und wenn ja welche?

Mit den sich abzeichnenden Schwarz-Grünen Bundes- und Landesregierungen wird Deutschland sein CO2-Buget sicher überschreiten. Die Konsequenz ist, dass wir unserer Verantwortung erneut nicht nachgekommen sind und unsere Anstrengungen erhöhen müssen. Da ich aber jetzt schon radikale Einschnitte fordere, ändert sich dadurch an meinen Forderungen nichts.

Die LINKE ist die Partei der sozial-ökologischen Gerechtigkeit und wenn wir nicht voll und ganz nach Klimagerechtigkeit streben und unser Möglichstes tun, werden wir weder unserer Aufgabe noch dem Vertrauen unserer Wähler*innen gerecht.

Welche Ideen und Visionen verfolgen Sie und Ihre Partei für ein grundsätzliches Umlenken in unserer Gesellschaft und Wirtschaft?

Diese Frage ist besonders schwer, da wir schon zu viel Zeit verspielt haben. Ich setze mich für stärkere Umweltbildung in den Schulen ein, jedoch muss auch jetzt gehandelt werden. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir mit linker Politik die Menschen für uns gewinnen können.

Wenn wir auf Landes- und Bundesebene mit Steuerreformen für eine gerechtere Vermögensverteilung sorgen können und mit klugen Investitionsprogrammen wirkliche Alternativen in der Mobilität für alle schaffen, dann werden die Menschen eher bereit sein für die Umwelt beispielsweise auf ihr Auto zu verzichten. Mit einem "weiter so" der konservativen, grün-schwarzen Landesregierung werden wir nichts erreichen.

Es braucht radikales Handeln, und zwar jetzt.

Wie werden Sie Bürger*innen in die Gestaltung dieses tiefgreifenden Übergangs einbinden?

Sollte ich in den Landtag kommen, wird mein Büro immer für Vertreter*innen aus sozial-ökologischen Bereichen offen sein. Ich stehe für 100 % Transparenz und werde meine Ausgaben offenlegen. Dies wird problemlos möglich sein, da die Automobilindustrie vermutlich wenig Interesse an mir haben wird 😉.

Generell möchte ich den weniger gehörten Verbänden, Initiativen und Vereinen mehr Gehör geben und weniger für die großen Industrien, denn diese werden schon genug gehört. Die LINKE ist die Partei, die im engen Kontakt mit den Bewegungen steht, auf der Straße sichtbar und ständig offen für Gespräche mit den Bürger*innen ist. Wir setzen uns für mehr Demokratie und Bürger*innen-Beteiligung ein. Für den Fall, dass ich ein Mandat bekomme, plane ich regelmäßig Berichte zu aktueller Politik zu halten. Hier können die Bürger*innen direkt meine Arbeit nachverfolgen und Fragen, Anregungen und selbstverständlich auch Kritik äußern.

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